19.März, Brown Bluff, Tabarin Halbinsel, Weddell-Meer

Gepostet am Dez 13, 2013

19.März, Brown Bluff, Tabarin Halbinsel, Weddell-Meer

Gestern Nacht hat ein Sturm uns trotz der zwei Ankerketten durch die Bucht getrieben und die frühe Abfahrt aus der Hope Bay nötig gemacht. Doch heute Morgen begrüßt uns eine Antarktis aus dem Bilderbuch.

Bark Europa vor Eisschollen im Weddell-Meer

Bark Europa vor Eisschollen im Weddell-Meer

Sonnenstrahlen brechen durch zaghafte Wolken und begrüßen den Tag. Vom Wasser, vom Schnee, vom Eis reflektieren sie tausendfach. Von fernen Gletscherhängen, die über flachen Inseln liegen, brechen Eisberge wie Splitter in die See. In allen Größen treiben sie durchs Wasser soweit das Auge reicht. Spitze Berge ragen in der Ferne blütenweiß bedeckt aus dicken Gletschern hervor. Sonnenschutz und Sonnenbrille erhalten heute ihre erste Chance.

Die Bark Europa in Brown Bluff

Die Bark liegt vor Anker in der Bucht bei Brown Bluff. Vom Wind angeschliffene, erodierende Schichten aus grobem, körnigen Gestein. Findlinge wie aus verbackenem Sand rollen die Hänge der Klippen hinab. Fast sieht es aus, als hätte jemand an Land ein Stück Grand Canyon abgestellt.

Bark Europa in der Bucht von Brown Bluff in Antarktika

Bark Europa in der Bucht von Brown Bluff in Antarktika

Doch die Felsen hier erzählen eine andere Geschichte. Sie erzählen von der Hitze im Erdinneren, gepaart mit dem Druck und der Kälte von dicken Schichten aus Eis und Schnee. Dickflüssiges Magma suchte den Weg aus der Erde an die Oberfläche, doch das heiße Gestein wurde schon am Grunde der dicken Gletscher gestoppt. In Schwerstarbeit kämpfte es sich aus der Erde hervor um augenblicklich in Kälte und Druck zu erstarren und heute in spröden Lava-Knollen die Klippen zu säumen.

Brown Bluff - seltene Gesteine

Brown Bluff – seltene Gesteine

Nur hier zeigen sich diese Formen an Land. Sonst findet man sie nur tief unter Wasser am Grunde der See.
Dünneres Magma, Schlacken und leichtes Material der Eruptionen verflossen wie eine Schmierschicht zwischen Gletscher und Kontinent, wurden verbacken zu sedimentähnlichen Schichten aus grobkörnigem Gestein.

Weddell-Meer – ein Spiegel aus Wasser, Eis und Sonnenstrahlen

Wir fahren weiter und lassen das Festland Antarktika nach zwei halben Tagen bereits zurück.

Bark Europa: Abschied von Antarktika

Bark Europa: Abschied von Antarktika

alle gemeinsam: Hieven der Schlauchboote aufs Deck der Bark Europa

alle gemeinsam: Hieven der Schlauchboote aufs Deck der Bark Europa

Bei schönstem Wetter und spiegelglatter See gleitet unser Dreimaster in den Norden des Wedell-Meers hinein. Aus kleinen Inseln stürzen sich schmale Wasserfälle in die See hinab.

Masten der Bark Europa im Weddell-Meer

Blick aus den Masten der Bark Europa ins Weddell-Meer

Nur wenige Boote kommen bis hierher. In Richtung Süden gibt es tausend Kilometer weit kein festes Land. Fast ganzjährig herrscht hier ein zäher, undurchdringlicher Wirbel aus allen Arten von Eis. Langsam und unaufhaltsam rotiert diese Masse auf einer Fläche größer als Deutschland im Uhrzeigersinn. Der antarktische Sommer schmilzt ein paar Lücken hinein, welche der Herbst dann sofort wieder schließt.

Eisberge im Weddell-Meer

Eisberge im Weddell-Meer

Wer hier zu spät oder zu weit südlich navigiert, den fängt das Eis. Auch den Expeditionen von Nordenskjöld und Ernest Shackleton zerbrach dieser Wirbel das Schiff. Fast ein ganzes Jahr driftete Shackleton danach im Eis. Erst gefangen auf seinem Schiff und schließlich noch 5 Monate schiffbrüchig auf dem dichten Packeis, bevor er im späten Sommer in drei kleinen Rettungsbooten eine Chance auf seine berühmte Flucht nach Norden sah.

Jetzt im März bietet sich gerade noch die Chance, das Schiff ein Stück in diese Gegend hinein zu manövrieren. Das perfekte, windstille Wetter bietet die Gelegenheit aufs Schlauchboot umzusteigen und näher an einen der riesigen Tafel-Eisberge heran zu fahren. Die Bark unter Segeln im Abendlicht vor dem Eisberg ist ein Anblick, der einem sicher für viele Jahre in Erinnerung bleibt.

Bark Europa in der Antarktis vor Sonnenuntergang

Bark Europa in der Antarktis vor Sonnenuntergang

Am nördlichsten Rand dieses südlichsten Meeres endet ein Bilderbuchtag. Bei spiegelglattem Wasser und wolkenlosem Wetter senkt sich unendlich langsam die Sonne in die See. Bark, Meer und Eis verschmelzen in goldenem Licht.

 

18. März, Hope Bay, argentinische Antarktis-Station Esperanza
20.März, Flucht aus dem Weddell-Meer