30. März, Prion Island und Walfängerstation Prince Olav Harbour
Ein Morgen im Sonnenschein. Über der Nordostküste der Insel strahlt ein blaues Föhnloch, wie es uns auch in den nächsten Tagen begleiten soll. Die hohen Berge, die sich entlang der gesamten Insel erstrecken, halten Regen und Wolken aus dem Westen ab. Wie viel schöner doch diese Insel bei Sonnenschein ist.
Prion Island – zu Gast bei den Wander-Albatrossen
Vor dem Horizont aus Gletschern und Bergen sucht die Europa ihren Weg durch grüne, flache Inselchen. Der Wind zeichnet Wellen in das hüfthohe Schmiele-Gras.
Eine dieser Inseln, Prion Island, ist heute unser erstes Ziel.
Zusätzlich zu den zahlreichen Robben brüten hier auch die einzigen Singvögel Südgeorgiens und die majestätischen Wander-Albatrosse. Mit über 3 Metern Spannweite und ihrem akrobatischen Flug sind sie die Könige der Lüfte über der See.
Einzig zum Brüten kommen diese Vögel an Land. Den Rest ihres Lebens verbringen sie auf hoher See. 8000 km, bis vor die Küste Brasiliens und zurück, fliegen die Eltern um ihrem Nachwuchs eine einzige Mahlzeit zu bringen. Setzen die Jungvögel dann später selbst zum Erstflug an, berühren sie erst fünf Jahre später wieder festes Land, wenn sie selber Eltern werden.
Prince Olaf Harbour – rostiges Rot und das Heulen der Robben in den Felsen
Das Ankern in Prince Olav Harbour bedeutet heute ein zweites Mal festen Boden unter den Füßen. Schon von Ferne leuchten rostrot die Dächer einer verfallenden Walfangstation. Die Rufe der Seevögel erzeugen das Gefühl einer kleinen Hafenstadt.
Aber der Ort ist verlassen und wirkt gespenstisch. Das Heulen hunderter Pelzrobben hallt von den steilen Wänden der Bucht zurück. Rote Schilder aus jüngeren Tagen verbieten den Zutritt in die alte Station. Die Schilder warnen vor losen Blechen und staubendem Asbest.
Schlacke verbrannter Kohle bedeckt den Boden rundherum. Es sind die Zeichen einer Zeit, in der hier kurzfristig eine Geldmaschine stand. So voll von Walen war diese Bucht, dass die Tiere nur an Land gezogen werden mussten. Die feinsten Stücke wurden abgeschnitten und zu Öl verkocht, der Rest verrottete und blieb den Vögeln überlassen.
Zeugen dieser blutigen Zeit sollen uns in den nächsten Tagen auf Schritt und Tritt begegnen. Nur langsam überwachsen grüne Moose, Kräuter und Flechten die Narben der Vergangenheit.
Etwas später senkt sich die Dunkelheit übers Wasser. Sie lässt die Narben verschwinden und die Bucht wieder in ihrer Schönheit im Mondschein erstrahlen.
In dieser Bucht verabschieden wir uns auch von dem Gast mit den Rippenbrüchen. Er wird auf ein entgegenkommendes Expeditionsschiff verfrachtet, welches direkt nach Südamerika fährt. Dort soll ein Röntgen zwei Wochen nach dem Sturz endlich Klarheit bringen.