8.März, im Hafen von Ushuaia
Abenteuerlich und ehrwürdig liegt sie im Hafen von Ushuaia vertäut. Drei Masten recken sich in den wolkenverhangenen Himmel, schwielige Holzplanken und gegilbte Segel beginnen ungefragt von fernen Orten zu erzählen. Faserige Seile zeugen vom rauen Wetter auf offener See.
Im selben Moment sieht sie verletzlich aus vor den Ozeandampfern aus Stahl und der grauen Fregatte im Hintergrund.
Dieser Segler, die Bark Europa, wird für die nächsten 7 Wochen unsere Heimat und unsere Zuflucht vor der Kälte sein.
Niemand würde vermuten, dass diese stolze Bark einst ein normaler „Blechtrog“ war. 1911 als unscheinbares Leuchtschiff vom Stapel gelaufen, versah sie in der Elbemündung bei Wind und Wetter einen eintönigen Dienst. Erst 90 Jahre nach ihrem Bau, wurde aus dem hässlichen Entlein ein stolzer Schwan.
Erwartungsvoll stehen nun 35 Paar leuchtender Augen auf der Pier, mit grossen, schweren Taschen in der Hand. Geplaudert wird auf Holländisch, Englisch, Französisch und Deutsch.
Da ist der 26-jährige Weltenbummler, der seine eigene Firma in der Ferne per Satellitentelefon führt. Und auch der fast 80-Jährige, der sich nur 3 Monate nach einer Hüft-OP endlich seinen Lebenstraum erfüllt.
Der Wunsch nach etwas Abenteuer hat ganz verschiedene Menschen hier zusammen gebracht. Nur eines ist bei allen Gästen gleich: Als „Voyage Crew“ werden wir teilhaben an den täglichen Aufgaben an Bord. Arbeit, Wind, Wetter, Wellen und Kälte werden uns begleiten.
Eine kleine wacklige Rampe trennt die Bark vom Land. Nicht mehr als zwei vorsichtige Schritte braucht es bis in die Welt aus Segeltuch, Masten, Tauen und Beschlägen.
Feste Crew und Kapitän stehen dort bereit um die Gäste willkommen zu heißen. Der größte Teil der Crew sind junge strahlende Gesichter. Für wenig Geld und harte Arbeit erfüllen sie sich ebenfalls den Traum Antarktis. Viele hundert Bewerbungen erhält das Schiff hierfür jedes Jahr.
Nur wenige erfahrene Seebären arbeiten dauerhaft an Bord. Unter ihnen ein Kapitän wie aus dem Bilderbuch. Hoch und breit gewachsen, mit rauschendem Bart, schaukelndem Ohrring und grauem langen Haar steht er im Wind. Nur Papagei, Augenklappe und Holzbein fehlen.
An Bord dominiert dunkles, wettergegerbtes Holz. Die Dekoration im Salon erzählt von großen Abenteuern auf See. Eine schmale, steile Holztreppe führt hinunter zum Unterdeck.
Dort unter der Wasserlinie liegen die Kombüse, die Messe und die Kabinen. Für zwei oder vier Personen bieten die Kabinen Komfort mit einem eigenen kleinen Bad für eine warme Dusche jeden Tag. Je zwei Kojen übereinander mit warmen Decken und flauschigen Kissen schaffen etwas Luxus für moderne Abenteurer.
Noch ein Stockwerk tiefer verstecken sich Technik und Vorräte für die lange Fahrt. Wasserentsalzung und Warmwasserbereitung, Heizung, Generatoren und Tanks, sowie Kühl- und Tiefkühlkammern versehen hier ihren Dienst.
Die Vorräte zwängen sich in den wenigen Lücken, welche die Technik ihnen lässt. Viele Paletten sind spurlos unter Deck verschwunden. 4000 Eier, 750 Kilo Kartoffeln, massenhaft Fleisch, Gemüse, Mehl und noch viel mehr braucht es für die 50 Tage lange Fahrt. Das alles wird unsere Reise viel angenehmer machen, als Seefahrer es sich früher hätten erträumen können.
Doch heute Abend verbleibt die Bark an ihrer Pier. Nur die Kojen werden bezogen und bei einem Glas Wein die ersten Gesichter und Namen studiert.