13.März, noch 90 Meilen bis zu den Südlichen Shetlandinseln
Jeder Tag beginnt nachts, wenn der Wecker für die Wache klingelt. Der Kapitän wünscht das „schwedische“ System. Nie mehr als 8 Stunden Pause. An jedem Tag werden die Gruppen um 4 Stunden rotiert. Obwohl oder vielleicht weil dies überhaupt keinen Rhythmus ermöglicht, fügen sich Körper und Geist vorerst mühelos. Jeder Tag hat dabei seine ganz speziellen kleinen Freuden. Einmal Sonnenaufgang, einmal Sonnenuntergang, einmal Mitternachts-Snack.
Heute macht das Aufstehen ganz besonders Spaß. Die schwere Tür zum Badezimmer öffnet schräg nach oben fast wie eine Kellerluke. Der Duschvorhang hängt schräg im Badezimmer wie ein Spinnennetz. Statt nach unten fließt das Wasser zum Zähneputzen mal nach links und mal nach rechts aus dem Hahn direkt am Becken vorbei. Schräglage, Wellen, Kopfschmerz, Übelkeit. Alles ist heute wieder da.
Man muss die Wellen wahrscheinlich lieben oder ignorieren lernen. Ich denke, wir werden keine Freunde mehr.
Aber zumindest das erste Zwischenziel, die Südlichen Shetlandinseln, nähern sich. Es sind Inseln und Eis, inmitten eines Bühnenvorhangs aus 300 Tagen Regen, Wind und Wellen pro Jahr. Erst wer diesen Vorhang durchquert hat, so sagt man, darf die Antarktis in ihrem gleißenden, weißen Licht erleben.
An Bord starten nun auch die ersten Vorbereitungen für die Ankunft auf dem siebten Kontinent. Vorlesungen und Belehrungen ermahnen die Besucher, im südlichen Treiben Beobachter zu bleiben. Ausrüstung und Kleidung werden ausgesaugt um biologischen Überbleibseln vergangener Wanderungen den Eintritt in das verletzliche Ökosystem der Antarktis zu verwehren. Der eine oder andere macht das gründlich, lautstark und voller Rücksicht mitten in der Nacht.
An anderen Orten hat man bereits genügend schlechte Erfahrungen gemacht mit Sporen, Samen und Tieren, die Seefahrer über alle Meere und durch alle Winde trugen.
Jedes Boot in der Antarktis hat ausgebildete Reiseführer an Bord, welche tagtäglich die Feinheiten von Flora, Fauna und Geologie erklären. Immer gibt es Neues zu sehen und zu verstehen.
Heute zeigen sich auch erstmals Finnwale rund ums Schiff. Sie stoßen dichte Fontänen in die Luft und zeigen majestätisch ihre kolossalen dunklen Rücken. Gleich hinter dem Blauwal reihen sie sich als die zweitgrößten Bewohner unseres Planeten ein. Aufgrund des reichen Nahrungsangebotes ist der steile Anstieg des Bodens aus der Tiefsee ins Schelf der Antarktis einer der Orte, wo sie am liebsten sind.