15. März, Deception Island 1.Tag, Whalers Bay & Pinguine
Ein felsiger Kranz aus Zacken von Rot bis Schwarz, die Hunderte Meter hoch in den Himmel greifen. Es sind die Überbleibsel eines gewaltigen Vulkans der hier vor Tausenden von Jahren in sich zusammenfiel. Übrig blieb nur ein felsiger Ring im antarktischen Meer. An einer einzigen schmalen Stelle ist der Fels genügend ausgebrochen, um einen Zugang für das Meer zu öffnen und so im Innern dieser Insel eine riesige, fast kreisrunde Bucht zu bilden.
Niemand scheint genau zu wissen, warum dieses Highlight jeder Antarktika-Reise Deception Island, „Insel der Enttäuschung“, heißt. Einiges spricht dafür, dass Schifffahrer alter Tage mehr als einmal Schutz vor eisigen Stürmen auf der Innenseite dieser Insel suchten. Doch scheinbar bliesen und strömten ihnen Wind und Wellen aus der schmalen Öffnung noch stärker entgegen und verhinderten die Einfahrt in die etwas geschützte Bucht.
Auch für uns scheint dies der zweite Tag ohne Chance auf festen Boden zu werden. Noch 15 Minuten vor der Einfahrt strahlen die verschneiten Felszacken im Sonnenlicht unseren Segeln entgegen. Doch nur wenige Augenblicke später verhüllen dunkle, schwere Wolken die Spitzen der Inselberge.
Bei 40 Knoten Wind und deutlichen Wellen sehen die meisten Expeditionsschiffe der Antarktis diese Insel nur von außen. Zu riskant wäre dann eine Querung der schmalen Fahrrinne in den ehemaligen Kraterschlund. Doch mit unserem „kleinen“, modernen Segler haben wir für einmal den Vorteil in der Hand. Flach und wendig schieben uns die Motoren vorwärts in die kreisrunde Bucht.
Unter Wasser soll die Vielfalt des Lebens in diesem Krater beeindruckend sein. Leider bieten nur ganz wenige spezialisierte und sündhaft teure Boote die Gelegenheit hier zu tauchen.
Doch auch die Möglichkeiten über Wasser lohnen einen ausgiebigen Besuch. Die Bucht hat viele bewegte Zeiten gesehen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bauten norwegische Walfänger an diesem Ort eine Basis auf und ein erster Landgang bringt uns an diesen Ort. Noch heute zeugen Haufen von Walknochen, rostige Öfen und Tanks in der Höhe dreistöckiger Häuser von einer nicht allzu lang vergangenen Zeit.
Damals als der Blubber der Wale, gekocht, verflüssigt und gereinigt, als Tran den Brennstoff für Lampen ergab. Erst vor etwa 80 Jahren stürzte der Fund billigen Erdöls die Preise für Tran endgültig in die Tiefe. Das blutige Geschäft wurde unrentabel, die Walfänger verließen ihre Station und die wenigen verbliebenen Wale durften wieder ein kleines bisschen sicherer leben.
Später, im zweiten Weltkrieg kam das englische Militär und nutzte die alte Station als Stützpunkt mit den alten Blubber-Tanks um die Basis und kleine Schiffe mit Treibstoff zu versorgen. Und nach dem Krieg zog die Wissenschaft ein, bis ein kleinerer Vulkanausbruch vor 40 Jahren die britische Anwesenheit komplett beendete.
Noch heute stehen auf den eilig betonierten Fundamenten die traurigen Reste der hölzernen Baracken. Sie stehen aufgerissen von eisigen Stürmen, gebleicht von der antarktischen Sonne und verwunden, schief und verschoben von der Schlammlawine des letzten Vulkanausbruchs. Aus löchrigen Wänden schauen zwei riesige Generatoren hervor.
Vögel, Pinguine und Seelöwen sind die einzigen Geschöpfe, die immer noch hier hausen.
Unser Weg führt uns weiter entlang des Strandes, hinauf in die sandigen und steinigen Hänge der Felsen auf die Krone des Kraterrandes.
Kleine Lagunen am inneren Strand der Insel schillern in allen Farben von blau bis grün. Verschiedenste Mineralien und Bakterien färben die Wasser hier so unterschiedlich. Diese Bedingungen lassen Forscherherzen höher schlagen.
Ein kurzer Blick über Insel, Meer und glitzernde Eisberge in der Ferne, dann geht es weiter über Hänge aus Asche, Schnee und Eis der größten antarktischen Kolonie von Zügelpinguinen entgegen.
Sechzigtausend Paare dieser schicken Tiere mit dem blütenweißen und dunkelschwarzen Gefieder stehen hier Motiv für Hochglanzfotos. Leider kann kein Bild einfangen, wie streng die Kolonien dieser kleinen Kerle riechen.
Den Weg vom Strand wackeln und hüpfen sie auf viel zu kleinen Beinen mühsam 200 Höhenmeter aufwärts. Hier auf den steinigen Hängen der Insel, stehlen sie sich erst gegenseitig die Steine für ihre Nester. Dann brüten, beschützen und füttern sie Ihre Küken und werfen schließlich nach wenigen Monaten ihre jugendlichen Kinder aus dem Nest.
Am Ende wechseln die Eltern ihr Gefieder. Zwei Wochen ohne zu essen und zu trinken stehen sie tags wie nachts ungeschützt mitten im pfeifenden, eisigen Sturm, bis die neuen Federn sie für einen Winter im Ozean kleiden.
Bis zu 80 cm groß werden Zügelpinguine und sind damit schon recht stattliche Vögel. Kaiserpinguine, als die größten nahen Verwandten, wachsen sogar über einen Meter hoch und bis zu 40 Kilo schwer. Und vor vielen Tausenden, vielleicht Millionen von Jahren hat es sogar Riesen unter den Pinguinen gegeben. Bis zu 2 Meter groß und 120 Kilo schwer müssen sie laut einigen Fossilien gewesen sein.